Hast du dich auch schon mal gefragt, ob die Beschneier der Bergbahnen Serfaus-Fiss-Ladis im Sommer in kurzen Hosen am Strand liegen oder was sie in der schneefreien Zeit überhaupt so treiben? Warum nicht beschneit wird, auch wenn es Minusgrade hat? Wie Schnee eigentlich entsteht oder wie die 800 kg schweren Kinder von Frau Holle auf den Berg gelangen?
Fast alle Turmkanonen und Schneelanzen bleiben das ganze Jahr an ihrem Platz stehen und werden vor Ort einer LEIBESVISITATION unterzogen. Damit sie im Sommer möglichst gut ins Landschaftsbild passen, werden sie mit grünen Planen abgedeckt oder grün gestrichen. In Serfaus bekommen die Schneeerzeuger an drei Orten ein Sommerquartier: bei den Talstationen der Familienbahn Gampen und Planseggbahn sowie bei den Pumpstationen im Masner und auf der Hög. Mithilfe von Pistenbullys werden sie von ihrem Winterplatz zu ihren SOMMERLAGERN gebracht. Wenn sie für den Winter ausgedient haben, liegt ja noch reichlich Schnee. Und der Tapetenwechsel tut ihnen gut. In der Serfauser Werkstatt unterhalb der Talstation der Familienbahn Gampen wartet jedes Jahr die Generalsanierung auf die „Kinder“ von Frau Holle. Und genau dort schaue ich vorbei.
Der Urknall
In der Serfauser Bergwerkstatt dreht sich alles ums Fachwissen – besonders wenn es um die Technik der Beschneiung geht. Ein Begriff, der dabei schnell fällt: NUKLEATOR. Was zunächst ein wenig geheimnisvoll oder sogar gefährlich klingt, ist in Wirklichkeit ein zentrales und faszinierendes Element bei der Schneeerzeugung.
Ohne Nukleator läuft bei der technischen Beschneiung nichts. Er ist das Herzstück jeder Schneekanone – gewissermaßen der URKNALL des gesamten Prozesses. Während sich in der Natur Schneekristalle an kleinste Staubpartikel heften, braucht es bei der technischen Variante ein winziges EISKORN. Und genau dieses wird durch den Nukleator erzeugt.
Unabhängig von der Außentemperatur herrschen direkt am Nukleator rund -30 Grad Celsius. Dort trifft Druckluft auf Wasser – beim Entspannen der Luft entsteht das winzige Eiskorn, das die Grundlage für den späteren SCHNEE bildet. An diesem gefrorenen Kern bleiben schließlich die feinen Wassertropfen haften, die aus den Düsen kommen. So entsteht nach und nach technischer Schnee.
Kanonen, Kunst und Correctness
Bei einem Besuch im Bereich der technischen Beschneiung lässt sich schnell erkennen: Hier wird auf präzise Begriffe geachtet. Schon zu Beginn wird klar, dass der Ausdruck SCHNEEKANONE nicht ganz korrekt ist. Technisch gesehen spricht man von Schneeerzeugern, auch wenn im Alltag oft beide Begriffe verwendet werden.
Auch der Begriff KUNSTSCHNEE führt leicht auf eine falsche Fährte. Zwar weiß jeder, was damit gemeint ist, doch korrekt heißt es technischer Schnee oder Maschinenschnee. Denn NICHTS ist an diesem Schnee nichts: Die Erzeugung erfolgt ausschließlich durch ein Gemisch aus Wasser und Luft – ganz ohne chemische Zusätze. Die Prozesse orientieren sich dabei an natürlichen Prinzipien, nur eben technisch gesteuert.
Ein spannender Einblick in eine Welt, in der Präzision, Technik und Naturverständnis eng miteinander verbunden sind.
Nach dem Winter ist vor dem Winter
Ist der Nukleator verstopft, steht die gesamte Beschneiungsanlage still. Um das zu verhindern, werden die Anlagen regelmäßig und sorgfältig gewartet – inklusive aller Nukleatoren. Diese Kontrollen gehören zu den vielen Aufgaben des Beschneiungsteams, das das GANZE JAHR über im Einsatz ist.
Die Mitarbeitenden sind nicht nur in der Wintersaison aktiv. Auch in den schneefreien Monaten gibt es jede Menge zu tun: Von März bis November werden sämtliche Schneeerzeuger, Unterflurschächte, Leitungen und Pumpstationen einer gründlichen Revision unterzogen. Im Spätherbst wird das Team temporär erweitert, um die letzten Vorbereitungen vor dem ersten Schneeeinsatz effizient umzusetzen.
Die Arbeiten vor dem Winter sind in der Regel deutlich TECHNISCHER geprägt – es wird geschraubt, überprüft, ausgetauscht und optimiert. In der Wintersaison hingegen liegt der Fokus auf der Überwachung der laufenden Systeme, damit alles zuverlässig funktioniert und der Schnee genau dort landet, wo er gebraucht wird.
Design
Ein sogenannter „TR10“ wird in der Werkstatt gründlich auf seine Funktionsfähigkeit geprüft. Der ausgeklappte Schneeerzeuger erinnert dabei an eine Fledermaus mit ausgebreiteten Flügeln – oder vielleicht eher an einen futuristischen Wagen aus einem bekannten Filmklassiker. Auch beim Design von Beschneiungsanlagen spielt die Form eine überraschend wichtige Rolle.
Nur echt mit 32 Düsen
Moderne Schneeerzeuger sind so konzipiert, dass Wartung und Pflege möglichst unkompliziert erfolgen können. Um an den Düsenventilkranz zu gelangen, wird zunächst der Frontring entfernt – der Blick ins Innere erinnert an den Aufbau einer FLUGZEUGTURBINE. Die kreisförmig angeordneten Düsen mit ihren Keramikeinsätzen wirken wie ein weit aufgerissenes MAUL.
Vor dem Winterbetrieb müssen alle Düsen händisch herausgeschraubt und gründlich gereinigt werden. Jedes noch so kleine Bauteil wird dabei genau überprüft – ganz im Sinne der Langlebigkeit und Funktionstüchtigkeit. Denn das „Gebiss“ der Schneemaschine ist nicht nur technisch präzise, sondern auch kostspielig. Eine regelmäßige und sorgfältige Wartung sorgt dafür, dass es über viele Winter hinweg zuverlässig arbeitet.
Jede Düse in einer modernen Schneekanone besteht in der Regel aus mehreren kleinen Öffnungen, die gemeinsam arbeiten – oft in Vierergruppen. Durch diese kompakte Bauweise sind insgesamt weniger Düsenelemente nötig, was den Wartungsaufwand reduziert. Gleichzeitig müssen die Materialien extrem belastbar sein, damit sich die Öffnungen durch den hohen Druck nicht mit der Zeit vergrößern. Jede Düse hält dabei einem Druck von bis zu 30 BAR stand – das entspricht etwa dem Vierfachen eines üblichen Druckluftkompressors im Hobbybereich.
Je nach Wetterlage sind standardmäßig mehrere dieser Düsengruppen gleichzeitig im Einsatz. Sinkt die Temperatur, können zusätzliche Düsen zugeschaltet werden. Das gesamte System arbeitet VOLLAUTOMATISCH und folgt einer vorab programmierten Steuerung. Dennoch lassen sich zwei zentrale Parameter manuell festlegen: die sogenannte Feuchtkugeltemperatur als Startwert für die Beschneiung – sowie die gewünschte Schneequalität, also ob der Schnee eher feucht oder trocken ausfallen soll.
Baden gehen
Nicht jede Düse ist gleich. Der Düsenventilkranz besteht aus verschiedenen Komponenten: den sogenannten Nukleatoren sowie aus festen und zuschaltbaren Düsen. Zunächst werden die Nukleatoren, die wie kleine, wertvolle Bauteile im Kranz sitzen, vorsichtig entfernt. Die Reinigung erfolgt mithilfe von ULTRASCHALL und wird jedes Jahr vor bzw. nach dem Winterstart durchgeführt.
Besonders beim Austausch der kleinen Dichtungen ist FINGERSPITZENGEFÜHL gefragt. Aber warum ist die jährliche Reinigung überhaupt so wichtig? Bei einer großen Anzahl von Düsen bedeutet das zwar einen erheblichen Aufwand, doch verhindert die regelmäßige Pflege, dass Rostpartikel in den erzeugten Schnee gelangen und diesen verunreinigen könnten.
Wassertest
Alle Düsen sowie der Wasserfilter des Schneeerzeugers sind gereinigt, nun steht der WASSERTEST an. Dabei wird überprüft, ob alle Düsen einwandfrei funktionieren. Das Gerät ist mit rund 800 KILOGRAMM recht schwer und muss bewegt werden. Mit einem Hubwagen wird der Schneeerzeuger zum Halleneingang transportiert – denn beschneit wird schließlich draußen an der frischen Luft.
Abflug
Nachdem alle Schneeerzeuger ihre Wartung in der Werkstatt oder direkt an der Pumpstation abgeschlossen haben, werden sie noch vor dem ersten Schneefall an ihren Einsatzort gebracht. An besonders schwer zugänglichen oder exponierten Stellen erfolgt der Transport per HUBSCHRAUBER.
Die Geräte stehen bereit und scheinen förmlich gespannt auf ihre bevorstehende Aufgabe zu warten. Beim Anflug des Helikopters beginnen sie, ihre Turbinen zu DREHEN – ein lebendiges Zeichen der Vorfreude. Trotzdem gilt: Vordrängeln ist nicht möglich, denn der gesamte Ablauf folgt einem strikten und gut durchdachten Plan.
Alles nach Plan
Ein eingespieltes Team arbeitet sorgfältig und nach einer klaren Prioritätenliste. Jeder Schneeerzeuger hat dabei einen festen Platz am Berg und wird direkt über einem UNTERFLURSCHACHT installiert. Die früher sichtbaren und sperrigen Oberflurhydranten wurden durch solche Schächte ersetzt, die sich unauffällig und harmonisch in die Landschaft einfügen. In der schneefreien Zeit ist meist nur die Abdeckung zu sehen. Über eine kleine Leiter gelangt man durch eine Einstiegsluke ins Innere des Schachts.
Im Inneren werden Wasser-, Luft- und Stromversorgung zusammengeführt. Zusätzlich sorgt ein Steuerkabel dafür, dass die Anlage ferngesteuert werden kann. So lassen sich die Beschneiungsanlagen nicht nur von zentralen Pumpstationen aus steuern, sondern auch über SMARTPHONES– eine moderne und flexible Lösung für den Betrieb.
❆Wissenswertes
Die Schneeerzeugung richtet sich immer nach der sogenannten Feuchtkugeltemperatur – einem Wert, der das Verhältnis von Luftfeuchtigkeit und Lufttemperatur beschreibt. Erreicht die FEUCHTKUGELTEMPERATUR beispielsweise -2,5 Grad oder unterschreitet diesen Wert über einen längeren Zeitraum, startet die Schneekanone automatisch. Liegen die Werte außerhalb dieses Bereichs, schaltet sie in den Wartezustand.
OPTIMALE BEDINGUNGEN zum Beschneien liegen meist bei Temperaturen zwischen -7 und -10 Grad Celsius bei einer Luftfeuchtigkeit von etwa 30 bis 40 Prozent. Grundsätzlich gilt: Je trockener die Luft, desto besser für die Schneeproduktion. Zudem sollte es möglichst windstill sein, um die Schneekanonen effizient einzusetzen. Schnee kann auch bei Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt hergestellt werden, allerdings nur bei sehr geringer Luftfeuchtigkeit von etwa 10 Prozent.
Die GRUNDBESCHNEIUNG erstreckt sich etwa über einen Monat und legt die Basis für den späteren Naturschnee. Sie sorgt für eine stabile Schneedecke von Mitte Oktober bis Ende Februar. Anschließend können die mobilen Schneekanonen zur Wartung bereitgestellt werden. Moderne Schneehöhenmessungen unterstützen dabei, den Schnee gezielt und punktgenau zu verteilen. So wird nur genau die Menge Schnee erzeugt, die tatsächlich benötigt wird – eine effiziente und ressourcenschonende Vorgehensweise.
Mein Fazit
Die Arbeit im Bereich der Beschneiung ist äußerst vielseitig. Manche Mitarbeiter sind sogar das ganze Jahr über in diesem Bereich tätig – und das nicht nur während der Schneesaison. Von Frühjahr bis zum Start des Winters werden die Beschneiungsanlagen umfassend gewartet und vorbereitet.
Während der Winterzeit stehen vor allem Kontrollfahrten und die Überwachung der Anlagen im Mittelpunkt. In den wärmeren Monaten hingegen stehen technische und handwerkliche Aufgaben an, bei denen Geschick und technisches Verständnis gefragt sind.
Für diesen Beruf braucht es nicht nur Fachwissen, sondern auch eine große Leidenschaft. Die Mitarbeitenden sind mit Herzblut bei der Sache und engagieren sich mit viel Enthusiasmus für ihre Arbeit.
TEIL 2
Im zweiten Teil dieser Blogserie stehen die Kontrollfahrten der Beschneiung im Fokus. Unbedingt ansehen!